Inflation nimmt Fahrt auf


Die Verbraucherpreisinflation, gemessen über den Verbraucherpreisindex, ist in Deutschland im Juli nach Erhebung der vorläufigen Zahlen auf 3,8 % gestiegen. Dies ist die höchste Inflationsrate seit 1993. Im Vergleich zum letzten Monat stieg sie um 1,5 %. Dieser Sprung lässt sich über die Senkung der Umsatzsteuer um 3 % im Juli 2020 erklären. Trotzdem ist eine gewisse Dynamik bei der Inflationsentwicklung in den letzten Monaten erkennbar.

Einige Ökonomen und Journalisten bekannter Wirtschaftszeitschriften sind zwar der Ansicht, bei den höheren Inflationsraten handele es sich lediglich um einen Basiseffekt aufgrund der schwachen Rohstoffpreise in der Corona-Krise 2020. Der Verweis auf die aktuellen Energiepreise, die im Juli 2021 um 11,6 % im Vergleich zum Juni 2020 gestiegen sind, scheint auch sehr plausibel zu sein. Jedoch greift diese These deutlich zu kurz. Den die sogenannte Kerninflation, also die Inflationsrate ohne Berücksichtigung von schwankungsanfälligen Rohstoffpreisen, ist bereits im letzten Monat auf 1,9 % gestiegen und hat somit den höchsten Wert seit Ende 2007 erreicht. Auch die Indikatoren für die Verbraucherpreisinflation in den kommenden Monaten haben Höchstwerte erklommen. Die Erzeugerpreise auf Ebene der Industrieunternehmen stiegen im Juni um 8,5 % (höchster Wert seit 1983) und die Importpreise zogen sogar um 12,9 % an. Wenn sich diese Werte über mehrere Monate auf einem so hohen Niveau halten, müssen die Unternehmen die gestiegenen Kosten irgendwann auf den Endverbraucher abwälzen.

Nun stellen sich folgende Fragen:

  1. Was sind die Ursachen?
  2. Welche Auswirkungen haben eine hohe Inflation in der aktuellen Situation?
  3. Welche Maßnahmen könnten die Inflation dämpfen?

1. Die Ursachen liegen sowohl in den aktuellen Angebotsdefiziten bei bestimmten Branchen in der Industrie als auch in der Geld- und Fiskalpolitik der großen Wirtschaftsnationen während der Corona-Krise. Die Angebotsdefizite sind nur ein kurzfristiger Effekt, der sich in den nächsten Monaten abschwächen wird. Die expansive Geldpolitik im Zusammenspiel mit hohen Haushaltsdefiziten der Staaten hat allerdings einen nachhaltigen Effekt.

2. Höhere Inflationsraten sind nicht per se ein Risiko für den Wohlstand der Gesellschaft. In den 80er und teilweise auch in den 90er gab es häufig Inflationsraten über zwei Prozent. In Ländern wie den USA lag die Inflation sogar noch 2007 bei bis zu 6 %. Trotzdem wuchs der Wohlstand kontinuierlich in weiten Teilen der Gesellschaft. Der entscheidende Unterschied zur jetzigen Situation ist allerdings die Geldpolitik der Notenbanken. In den USA waren die Leitzinsen 2007 bei 5,25 %, Ende der 80er sogar bei knapp 10 %. Auch als die Inflationsrate Anfang der 90er in Deutschland bei 4 % - 5 % lag, erhöhte die Deutsche Bundesbank den maßgeblichen Leitzins auf ein Niveau bis 8 % im Jahr 1992. Die Sparer bekamen somit eine positive Realverzinsung, sowohl auf kurzfristige, aber insbesondere auf langfristige Einlagen bei Banken oder auf Investments in Anleihen und Kapitallebensversicherungen. Damit konnte selbst nach Abzug der Inflation ein realer Vermögenszuwachs für die Altersvorsorge bzw. den zukünftigen Konsum geschaffen werden. Eine steigende Kaufkraft der Bürger über eine positive Realverzinsung ist die Grundlage für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum mit sich selbst tragenden Kräften der Marktwirtschaft. Aktuell sieht die Lage anders aus: Die hohe Schuldenquoten der Staaten sowie vieler Unternehmen, die auf die Niedrigzinspolitik der letzten 12 Jahre zurückzuführen ist, sind für die Notenbanken der Grund, die Zinsen über Wertpapierankäufe und Leitzinsen im negativen Bereich künstlich extrem niedrig zu halten. Die hohe negative Realverzinsung auf die konservativen Geldanlagen (in Deutschland sind dort über 5 Billionen € investiert) wirkt sich negativ auf die reale Vermögensbildung und somit auf den zukünftigen Konsum aus. Gleichzeitig steigen die Immobilienpreise und die Mieten. In einem Land wie Deutschland, in dem die Hälfte der Bevölkerung zur Miete wohnt, wird es für viele Bürger zunehmend schwerer, Ersparnisse zurückzulegen. Die Vermögensumverteilung von Mietern und konservativen Sparern zu Immobilienbesitzern und Aktionären fördert grundsätzlich langfristig eine zwei Klassen-Gesellschaft -  ähnlich wie es schon in den letzten zwei Jahrzehnten in den USA zu beobachten ist.

3. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Inflation sind relativ leicht. Die Notenbank kann über ein Zurückfahren der Wertpapierkäufe und eine Erhöhung der Leitzinsen die Geldmenge reduzieren. Dadurch werden weniger Kredite aufgenommen und der Anreiz zum Sparen wird erhöht. Falls allerdings die EZB in der Eurozone aufgrund der hohen Staatsverschuldung vieler Mitgliedsländer nicht bereit zu diesen Schritten ist, müsste alternativ die Regierung die Nachfrage- oder Angebotsseite beeinflussen. Dies gestaltet sich etwas schwieriger. Auf der Nachfrageseite wäre eine Erhöhung der Einkommensteuer oder die Einführung einer Vermögenssteuer denkbar, um die Nachfrage im eigenen Land zu reduzieren. Auch eine Kürzung von Renten und Pensionen sowie geringere Sozialleistungen wären möglich. In einer Zeit mit steigenden Lebenshaltungskosten wären diese Maßnahmen jedoch unpopulär und ökonomisch auch fragwürdig. Auf der Angebotsseite könnten verschärfte Kartellrichtlinien bzgl. Märkten mit Quasi-Monopolen oder Oligopolen den Preiswettbewerb fördern oder aber auch Steuersenkungen (z.B. Mehrwertsteuer) und Subventionen (etwa im Agrar- oder Energiesektor) die Preise verringern. Aus ökonomischer Sicht bringen Eingriffe in die Preisgestaltung der freien Marktwirtschaft in den meisten Bereichen keine nachhaltig positiven Effekte und sind somit eher nicht zu empfehlen. Langfristig sind Investitionen in den technischen Fortschritt (Energiewende, Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Infrastruktur etc.) die beste Waffe der Regierung, um gegen Inflation anzukämpfen. Diese Maßnahmen brauchen aber meist viele Jahre, bis sie maßgeblichen Einfluss auf das Preisniveau in einem Markt bewirken können. Daher wurde einst die Notenbank geschaffen, um kurzfristig über die Geldmenge und das Zinsniveau für Geldwertstabilität zu sorgen. 

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